"Si Dios quiere...!" - "Wenn Gott will...!"
Nicaragua ist ein tief religiöses Volk und man würde sicher das Land und seine Bevölkerung nicht verstehen, wenn man das nicht im Blick hat. Ich persönlich habe damals unter Campesinos gelebt und mit ihnen gearbeitet und ein Satz kam immer wieder vor: "Si Dios quiere...!" - "Wenn Gott will...!"
"Si Dios quiere..., sehen wir uns morgen wieder..!"
"Si, Dios , quiere..., werde ich diese Krankheit überstehen....!"
"Si, Dios quiere..., werde ich als responsable (=Verantwortlicher) unsere Comunidad (=Gemeinde) leiten, auch wenn ich weder lesen noch schreiben kann..."
Das klingt für uns nach hohler Phrase, ist aber bei den Campesinos höchst ernst gemeint. Wer keine Versicherung hat, keinen Arzt in der Nähe, wer sich als von der Regierung vergessen empfindet, der hat sicher keine andere Option, als sich auf Gott zu verlassen.
Die Gottesdienste sind sehr lebendig, die ganze Familie ist dabei, Kinder werden gestillt oder lernen laufen, Hunde toben zuweilen herum, während der Predigt werden auch schon mal Zwischenfragen gestellt oder Anmerkungen gemacht.
Wenn der Regen auf das Wellblech prasselt, versteht man eh nichts mehr, zumal dort, wo kein Strom, d.h. kein Mikrophon existiert.
Die Kapellen auf dem Land werden zuerst nach Art der Häuser gebaut, sehr einfach. Wenn die Gemeinde schon länger existiert und man Hilfe hat, z.B. von Adveniat, dann baut die Gemeinde später eine Kirche aus Beton.
Wenn wir insgeheim denken, das ist Verschwendung und es gibt doch eigentlich Wichtigeres, dann werde ich nie vergessen, was mir mal Campesinos sagten, als ich vorschlug, zuerst eine Schule oder eine Gesundheitsbasis einzurichten: Wenn wir uns nicht regelmässig treffen zum Austausch und zu Gottesdiensten, dann hört unsere Gemeinde auf zu existieren. Dann verlieren wir unsere Einheit. Wenn wir zusammenhalten, können wir so einige Probleme auch aus eigener Kraft angehen. Wenn wir aber nur noch eine Ansiedlung von vereinzelten Familien oder Personen sind, dann wird auch das kleinste Problem zu einer Bedrohung.
Eine einfache Kapelle auf dem Land - hier in der Comunidad Maritza Quezada.
Gottesdienst in dieser Kapelle von Maritza Quezada
In der Comunidad Buena Vista eine gerade fertig gebaute neue Kirche.
"Der Wasserpriester vom Rio San Juan" - ein Film von Volker Hoffmann 1998 gedreht. Eine sehr gute Zusammenfassung davon, was kirchliche Arbeit am Rio San Juan bedeutet: Gottesdienste, Feier, Gemeindeversammlung, aber auch medizinische Behandlung, darüber hinaus auch medizinische Grundunterweisung durch Ärzte, desweiteren speziell für Kinder pädagogische Impulse, hier durch Puppentheater (gewissermassen die "Telenovelas" in einer Gegend, wo es keinen Strom und darum auch kein Fernsehen gibt). Die Gemeinde im Film heisst übrigens "La Noca" - "Die Schildkröte".
Hier die Beschreibung zum Film von Vollker Hoffmann
Der katholische Priester Jürgen Westhof aus Paderborn lebte und arbeitete im Süden Nicaraguas. In der Hafenstadt San Carlos am Nicaraguasee betrieb er eine katholische Klinik, die mit Hilfe von
Spendengeldern aus Deutschland finanziert und ausgebaut wurde. Die Hauptaufgabe des Geistlichen war die Betreuung und medizinische Versorgung von etwa 70 kleinen Gemeinden entlang des etwa 250
Kilometer langen Flusses Rio San Juan an der Grenze zu Costa Rica.
Der Filmemacher Volker Hoffmann drehte diesen Film im Oktober 1998. Kurz darauf wütete in Mittelamerika der Hurrikan Mitch. Sindflutartige Regenfälle verwüsteten das Land. Bäche wurden zu reißenden
Flüssen und schwemmten Brücken und Häuser weg. Dabei kamen in Nicaragua mehr als vier Tausend Menschen ums Leben. Rund 10% der Bevölkerung wurde obdachlos.
Gottesdienst in der Gemeinde Buena Vista:
Lange Zeit war die Mehrheit der Bevölkerung katholischen Glaubens. Wie im Grunde auf dem ganzen Kontinent Lateinamerikas. In den letzten Jahrzehnten aber sind die verschiedensten Sekten ("evangelicos") enorm auf dem Vormarsch gewesen. Man spricht mittlerweile in Nicaragua von ca. 1500 verschiedenen Denominationen, also verschiedenen evangelikalen Sekten. Es sind in der Mehrheit fundamentalistische Gruppierungen, die meisten aus den USA kommend. Es gibt Zeugen Jehovas, Mormonen, Pfingstler, Adventisten, Mennoniten, aber auch Gruppierungen mit dem Titel "die Rose von Saaron" oder "Kirche vom lebendigen Wasser" oder ...
Nicht evangelische oder protestantische Kirchen wie in Europa, sondern viele kleine Gruppierungen.
An sich kennen wir aus Europa eine meist gute Ökumene, d.h. ein gutes Verhältnis zwischen den verschiedenen Konfessionen. Das ist in Lateinamerika anders. Die meisten Sekten sind entstanden durch Spaltung. In einer Gruppierung gab es Konflikte, die man nicht lösen konnte und so spaltete sich eine neue Gruppierung ab und gab sich einen neuen Namen. Einig sind sich die Sekten oft nur in der Ablehnung der Katholischen Kirche.
Es ist, bis auf einige wenige Ausnahmen, ein sehr agressives Verhältnis. Ich musste schon Gottesdienste abbrechen, weil draussen eine Gruppierung einen großen Lautsprecher aufgefahren hatte und in voller Lautstärke einen Gegengottesdienst abhielt.
Wir Katholiken verdanken den Evangelicos allerdings vor allem zweierlei: die Beschäftigung mit der Bibel und das missionarische Aus-der-Kirche-Hinausgehen im großen Stil, d.h. das Predigen auf öffentlichen Plätzen, immer da, wo Menschen versammelt sind und die Hausbesuche nach Art der Zeugen Jehovas. Überhaupt kann man sich am ehesten eine Vorstellung von den Sekten machen, wenn man sich die Zeugen Jehovas hierzulande vor Augen führt, die ja auch mit der Bibel in der Hand in die Häuser gehen und überhaupt sehr bibelfundamentalistisch sind. Wir "verdanken es ihnen...", das heisst, dass viele unserer Gemeindemitglieder die Bibel wieder in die Hand nahmen, weil sie immer wieder mit Fragen der Evangelicos konfrontiert wurden. Ausserdem haben wir immer wieder, vor allem in neu geründeten Gemeinden, selber Hausbesuche gemacht. Wir sind von Haus zu Haus gegangen, haben mit jeder Familie des Ortes geredet, sie eingeladen zu zentralen Treffen und anschliessend auch gefragt, wer denn wohl Gemeindeleiter (responsable), Katechet oder Musiker werden wolle. Die meisten der campesinos konnten kaum lesen, noch schreiben, und doch bekamen wir eigentlich recht wenig zu hören: "Das kann ich nicht...", sondern meist: "Si Dios quiere... , und wenn ihr uns das beibringt, dann sind wir bereit." Ausbildung der Gemeindeleiter bedeutete meist auch Alphabetisierung. Anhand der Bibel lernten die Campesinos das Lesen und Schreiben.
Ein Sektenprediger auf dem "Mercado Huembes", einem der größten Märkte in Managua.
Ein anderer Sektenprediger auf dem gleichen Markt. Er grüßte uns übrigens sehr nett, als er uns mit der Kamera sah: "Gott möge die Ausländer segnen, die in unserer Land kommen wegen der Vulkane und Seen und um die Fauna und Flora zu sehen...".
Das ist ein Blick auf "El Km 20", auf den "Kilometer 20". Das ist der Name dieser Gemeinde, die schon recht groß ist, aber über noch keinen Stromanschluss verfügt. Aufgrund der fortschreitenden Abholzung hat dieser Ort massive Wasserprobleme.
"Km 20" - der Name rührt daher, dass diese Gemeinde sich ca. 20 Km vom zentralen Hafen Boca de Sabalos am Rio San Juan entfernt befindet.
An der hier zu sehenden Hauptstrasse entlang befinden sich neben der katholischen Kirche noch 5 Sektenkapellen. Insgesamt hat der Ort 8 davon. Die folgenden Bilder zeigen drei Kapellen innerhalb eines einzigen Kilometers.
Und da sieht man eines der Hauptprobleme der Sekten : sie bringen eine enorme Spaltung. Denn untereinander sind die Sekten nicht friedlich gesinnt, sondern befinden sich in einem permanenten Konkurrenzkampf, wie eben auch zur katholischen Kirche . Die Spaltung wird bis in manche Familien hinein getragen. Ich habe Familien kennengelernt, in denen z.B. der Vater katholisch war, die Mutter Adventista , der Sohn zu den Zeugen Jehovas ging und die Tochter zu den Nazarenern. Dass es in diesen Familien nicht friedlich zuging, kann man sich denken.
Das kann nicht der Sinn des Glaubens sein.
Eine sehr schön bemalte Sektenkapelle ( die Szene ist die Teilung des roten Meeres). Oben über der Tür wird der Vers Psalm 60.4 erwähnt .
Die "Kirche der Adventisten vom 7. Tag"
Die "Kirche Zentrum des Lebens in Fülle der Versammlung Gottes "